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Agenten auf dem Spielbrett - Heimlichkeit in der DDR

SONY DSCDETEKTIV (Cluedo)

Letzte Woche stellten wir euch ein handgefertigtes Heimlich & Co. vor. Doch dieses Spielbrett hält noch Einiges mehr bereit. Auf seiner Rückseite verbirgt sich ein weiterer Spieleklassiker: Cluedo oder Detektiv wie der Bastler Wolfgang Großkopf es nannte. Dieses Spiel ist vor allem daher von so großem Wert für unsere Sammlung, da es spielerisch das Motiv der Heimlichkeit aufgreift, dem im Kontext der DDR noch noch ein ganz anderer Stellenwert zukommt…

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Ich kann von mir sagen: Cluedo war mein Lieblingsspiel, als ich ein Kind war. Damals, natürlich schon im vereinten Deutschland, denn vor dem Mauerfall war an ein solch hintergründiges Spiel nicht zu denken. Auf den deutschen Markt (zumindest im Westen) kam das Spiel schon vor vielen Jahren. Unter dem Titel “Wer ist Meisterdetektiv?” erschien es 1959 bei Schmidt Spiele. Inzwischen liegen die Lizenzen bei Hasbro. Dass es von Cluedo eine Vielzahl von Editionen auf dem Markt gibt und dass es auch bis heute noch aufgelegt wird, spricht für die Qualität und den Reiz dieses Deduktionsspiels. 

Diesen Reiz erkannte auch Wolfgang Großkopf und bastelte sich das Brett selbst. Als Spieleexperte bezeichnet auch er Cluedo als eines seiner Lieblingsspiele. Dies hängt zum einen mit dem Spiel selbst zusammen, aber gewisse auch mit seiner individuellen Schöpfung in die er viel Liebe und besonders aufwändiges Material steckte. Für unser Buch, das diese Woche erscheinen wird, hat Großkopf ein exklusives Interview gegeben, indem er auch die Frage zum Material beantwortet:

“Mein erstes Gesellschaftsspiel war komplett aus Plaste. Wir hatten das Kühlmöbelwerk in Erfurt als sogenannten Patenbetrieb. ESP hieß das — Einführung in die sozialistische Produktion. Einmal in der Woche sind wir mit unseren Schülern in diesen Betrieb gegangen und durften da mitproduzieren. Der Betrieb verarbeitete PVC, eben Kunststoff, und dadurch bin ich recht einfach an diesen Werkstoff herangekommen. Nach der Wende ist dieser Patenbetrieb aufgelöst worden. Dann wurden die ganzen PVC Platten an Schulen abgegeben und ich habe sie regelrecht gehamstert, so dass mir immer noch reichlich Material zur Verfügung steht. PVC hatte zu DDR Zeiten noch einen etwas anderen Stellenwert als heute. Ich konnte es leicht mit der Hebelschere zerschneiden und so zum Beispiel viele der benötigten Spielsteine herstellen. Das war zwar ziemlich aufwändig, hatte aber ein erfreuliches Ergebnis. So entstand unter anderem mein nachgemachtes Spiel Detektiv, bei dem ich als Vorlage Cluedo hatte, eins meiner Lieblingsspiele. Ansonsten war und ist mein Hauptmaterial Sperrholz. Das musste man auch immer hamstern. Mein Vater hat mal in einem Kolonialwarengeschäft gearbeitet und dort benutzte man Teekisten. Wenn sie zerlegt wurden, kam man gut an Sperrholz heran und konnte es dann verarbeiten. Also, Materialien zu bekommen war in der DDR immer ganz problematisch. Da musste man schnell zugreifen, wenn es mal was gab. Oftmals war das auch sogenannte Bückware, also das, was unter dem Ladentisch lag, nicht für jedermann sichtbar.”

Das vollständige Interview gibt es ab dem 25.04. im Buch – “Nachgemacht – Spielekopien aus der DDR” von Michael Geithner und Martin Thiele. (ISBN: 978-3-939801-18-4)

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Thematisch passend haben wir Detektiv (also Cluedo) in unserem Buch im Kapitel “Heimlichkeit” vorgestellt. In diesem Kapitel zeigen wir unseren Lesern und Leserinnen, in welche subtiler Form das Gefühl der Nachgemacht_Buch_HeimlichkeitHeimlichkeit auch in das Alltagsleben und damit auch in die Spielewelten Einzug hielt. Das Thema des Verbotenen und Heimlichen reichte dabei von unterschwelligen Anspielungen (“Nachts sind alle Agenten grau und keiner wird aus keinem schlau.” – Untertitel Heimlich & Co.) bishin zu offensivem Spott gegenüber dem Staat, wie im Spiel Bürokratopoly. Kein Wunder also, dass auch Spielebastler und deren Machwerke von der Stasi missgünstig beäugt wurden. Zentraler Kernpunkt des Kapitels Heimlichkeit ist der Artikel von Martin Böttger und sein Bericht darüber, wie sein Spiel in den Stasi-Akten landete. Ebenso veröffentlichen wir echte Auszüge aus seinen Akten in denen vom “sogenannten Gesellschaftsspiel mit negativ-feindlichem Charakter” die Rede ist.

Wolfgang Großkopf, der Bastler der Cluedo Variante ahnte, dass auch ihm die Beobachtung blühen konnte und verhielt sich daher ausgesprochen vorsichtig. Nur einmal bastelte er ein politisches Spiel – eine Bürokratopoly Abwandlung mit dem Titel Karriere. Das Video dazu findet ihr im Folgenden – das vollständige Interview mit ihm, einmalige, hochauflösende Fotos seiner Spiele und vieles mehr gibt es in unserer Publikation.

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Autor: Martin

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