MEMORY
An diesem Sonntag wird in einem kleinen sächsischen Dorf ein besonderer Tag gefeiert, denn heute vor genau 40 Jahren, im Jahr 1973, heirateten meine Eltern. Damals waren beide noch sehr jung, nämlich 16 und 23 Jahre. Heute ist das kaum noch vorstellbar und wirft die Frage auf, was sich seitdem verändert hat – macht Heiraten heute keinen Spaß mehr?
Die Regeln des Memoryspiels von Ursula Redel sind ganz einfach: Verdecke alle Karten und drehe zwei um. Hast du ein Pärchen gefunden, darfst du es behalten, wenn nicht ist der Nächste an der Reihe. Ich kann von Glück sagen, dass sich damals genau das Pärchen gefunden hat, welches seit 27 Jahren meine Eltern sind. Mit 27 war mein Vater bereits 4 Jahre und meine Mutter 9 Jahre verheiratet. Salopp sagt man ja gern, dass damals viel früher geheiratet wurde, aber ist das tatsächlich so? Beim Umzug eines befreundeten Paares halfen mein Vater und ich aus. Das Pärchen zog nicht zusammen, sondern nur in die unmittelbare Nähe voneinander, woraufhin mein Vater meinte: „Heute heiratet man nicht mehr, heute nähert man sich an.“ Schaut man auf die Statistiken wird zumindest bestätigt, dass im Osten Deutschlands früher mehr geheiratet wurde als heute.
Mit der Wende ist ein starker Einbruch der Ehen und Geburten zu erkennen. Ich selbst habe das erlebt, als während meiner Schulzeit in Zwickau von 5 Gymnasien 3 schließen mussten, weil es einfach nicht ausreichend Schüler gab. Auf der anderen Seite der Grenze, in Westdeutschland sah die Situation anders aus. Die unterschiedlichen Lebenswelten spiegelten sich auch in den Eheschließungen wider. Die Wende hatte hierbei keinerlei Einfluss.
Das zeigt, dass zwar mehr geheiratet wurde, aber stimmt es, dass die Ehepartner auch jünger waren damals? Eine (letzte) Statistik sagt ganz klar: JA! Um im Durchschnitt zu liegen, habe ich also noch ein paar Jahre Zeit.
Aber warum wurde damals in Ost und West mehr geheiratet und zudem noch viel früher als heute? In beiden Teilen Deutschlands gab es nach dem 2. Weltkrieg viel zu tun. Im Unterschied zur BRD wurde in der DDR die Frau als gleichgestellte Arbeitskraft betrachtet und als solche dringend gebraucht. Gerade mit der fortschreitenden Technisierung und Automatisierung wurden qualifizierte Frauenarbeitskräfte immer mehr benötigt. Die Familie wurde gestärkt, weil diese die Frauen als Arbeitskräfte unterstützen konnte:
„Ehe und Familie wurden in diesem Zusammenhang als Einheit betrachtet zu einer elementaren und alternativlosen Form der „sozialistischen Lebensweise“ erklärt. Bezogen auf die Beziehungen zwischen den Ehepartnern wurde formuliert, dass die Aufnahme einer Berufstätigkeit, die Teilnahme an einer Weiterbildung oder die Übernahme von gesellschaftlicher Arbeit durch den Ehepartner zu unterstützen sei (§ 10 (2)). Auf formal-juristischer Ebene wurde damit in der DDR Abschied von der Hausfrauen-Ehe genommen.“ (Quelle)
Als in den 70ern die Geburten zurück gingen und vom Staat subventionierte Krippenplätze nicht mehr ausreichten, bot man jungen Paaren einen zinslosen Ehekredit an. Ein Jahr vor der Hochzeit meiner Eltern, konnte, wer jünger als 26 Jahre war, vom Staat 5000 Mark erhalten, die man durch die Geburt von Kindern „abkindern“ konnte. Mit dem dritten Kind hatte man diesen dann vollständig „abgezahlt“. Aus unerfindlichen Gründen, wurde dieser aber meinen Eltern verweigert, obwohl der Staat unbedingt die Arbeitskräfte brauchte. Das hielt sie jedoch nicht davon ab trotzdem drei Kinder in die Welt zu setzen. Der Staat erhöhte den Kredit später nochmal auf 7000 Mark und beschenkte Eltern Neugeborener mit Prämien von 1000 Mark.
Dass die Ehen und Geburten dennoch zurück gingen scheint ein Gesamtdeutsches Phänomen zu sein, welches die DDR lange Zeit unterdrücken konnte, sie sich aber letztlich auch nicht mehr leisten konnte. Warum das Heiraten heute nicht mehr in Mode ist, kann in einem solchen Blogeintrag kaum beschrieben werden. Sicherlich bringt das Heiraten noch immer steuerliche Vorteile, doch für die Meisten auch keinen Nachteil mit sich nicht zu heiraten. Ein unverheiratetes Paar mit Kind(ern) ist heute längst keine Besonderheit mehr. Dennoch gibt es Viele, die es als Pflicht sehen bei einer „aus Versehen“-Schwangerschaft zu heiraten. Gleichzeitig scheint es eine etwas veraltete Sitte zu sein, für die heutzutage keine Not mehr zu bestehen scheint.
Wenn ich heute die Bilder meiner Eltern von damals betrachte und ihre Geschichten höre (und mich über meine bescheidene Existenz freue), dann weiß ich, dass, auch wenn Heiraten keinen „Sinn“ mehr macht, es unglaublich romantisch sein kann. Und so wünsche ich „meinen Alten“ noch viele weitere Jahre gemeinsam mit ihrer ganzen Familie. Ich selber freue mich darauf dieses Jahr auf etwa 5 oder 6 Hochzeiten zu tanzen – das wird ein Spaß!
Autor: Geis
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