COLORMINO
Erst lange nach der Wende habe ich gelernt, dass „Plaste“ nicht im Duden steht. Es war mir neu, Zeit meines Lebens ein Wort benutzt zu haben, was eine der vielen Wortschöpfungen der DDR-Bürger war. Mit „Plaste“ bezeichneten sie Hartplastik, „Elaste“ waren weiche Kunststoffe. Wie viele andere Werkstoffe waren sie rar, Wolfgang Großkopf konnte dennoch einige Spiele daraus basteln, wie zum Beispiel Colormino.
Plastik, Plaste, Kunststoff, PVC, Poly-XY – viele Namen bezeichnen dieses mysteriöse Material. Es ist leicht, es ist wasserdicht, geruchslos und aus dem täglichen Gebrauch nicht mehr wegzudenken. Tupperware, Margarinedosen, Tetrapacks, Nylonstrümpfe, Autoteile, Wasserflaschen, Babyschnuller. Von der ersten Sekunde unseres Lebens umgibt uns Plaste, ob wir wollen oder nicht. In allen Farben des Regenbogens erstrahlend inspirierte es zahlreiche Künstler und Filmemacher. Einen einzigartigen Einblick in die Welt der Elaste gab zuletzt der investigative Dokumentarfilm „Plastic Planet“, der sich auf humorvolle Art zum Ziel setzte, herauszufinden, woraus genau diese Kunststoffe hergestellt werden. Produktionsland Nummer eins ist China, aber auch in der DDR wurde Plastik hergestellt und verarbeitet, auch zu Spielen.
Für Brettspiele ist Plastik ein geeigneter Werkstoff, allerdings ist er schwieriger zu verarbeiten und in der DDR war er kaum beschaffbar. Wolfgang Großkopf hatte das Glück als Werkenlehrer zu arbeiten. Zur „ESP“, der „Einführung in die Sozialistische Produktion“ ging er einmal in der Woche mit seinen Schülern in das benachbarte Kühlmöbelwerk Erfurts. Bei dieser Gelegenheit konnte er PVC-Reste mitnehmen. Aus diesen entstanden zahlreiche seiner Spiele darunter Colormino, Detektiv, Tresor und viele andere. Da diese bis heute ihre Farbe und Form behalten haben, sehen die Spiele unbenutzt, fast wie neu aus. „Oftmals war das auch sogenannte 'Bückware', also das, was unter dem Ladentisch lag, nicht für jedermann sichtbar.“, sagte uns Großkopf im Interview, welches in unserem im April erscheinenden Buch zu lesen sein wird.
Nachdem die DDR 1959 ein neues Chemieprogramm verabschiedet hatte, wurde der Staat von einer Flut Plaste-Gegenstände überschwemmt. Doch auch diese wurden nur nach dem Plan produziert, was sich ebenfalls auf die Spieleindustrie auswirkte. Lothar Schubert erhielt zahlreiche Schreiben von Spieleverlagen, die seine Ideen für Brettspiele auf Grund mangelnden Materials nicht umsetzten konnten. Andere Ideen mussten den Bedingungen angepasst werden. Als er den VEB Berlinplast 1987 anschrieb, um rote Spielsteine für seine selbst gebastelten Werke zu kaufen, erhielt er unten abgebildetes Schreiben (zum Vergrößern, darauf klicken). Laut Schreiben konnten ihm nur Steine in blau und gelb zugeschickt werden, da rote aktuell gar nicht produziert würden.
Der Kunststoff war so präsent, dass sich noch bis in die heutige Zeit zahlreiche Menschen damit befassen. In Eisenhüttenstadt ist noch bis zum 5. Mai 2013 eine Ausstellung rund ums Thema „Alles aus Plaste“ zu sehen. Ein einzigartiges Online-Museum bietet das Deutsche Kunststoff-Museum an, welches Räumlichkeiten in Düsseldorf hat. Hier kann man Online Kunststoffprodukte nach Zeit, Anwendung und Material sortieren lassen. Ein Buch zum Thema ist unter dem Titel „Die Plastverarbeitung in der DDR“ erschienen. Auch in der Johannstadthalle Dresden, wo unsere Ausstellung „NACHGEMACHT – Spielekopien aus der DDR“ zu sehen war, ist die Plaste zu finden. Im hauseigenen Museum rund um die Wohnkultur des Dresdner Stadtteils Johannstadt steht eine große Vitrine, die ausschließlich Plaste sammelt, die in jenem Orange hergestellt wurde, welches symbolisch für das Design der 70er Jahre steht.
Auch die Spiele unserer Sammlung tragen das Orange dieser Zeit, wie Racko von Andreas Tasche. Dieses und weitere Plaste-Unikate haben wir hier zusammen gestellt und mit den entsprechenden Artikeln verlinkt. Einfach drauf klicken!
Autor: Geis
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