MONOPOLY
”Mit diesem Monopoly zeigt der Kapitalismus sein wahres Gesicht. Alles dreht sich immer nur um den Gewinn. Das ist nicht unsere sozialistische Idee. Natürlich werden unsere volkseigenen Betriebe dieses Spiel nicht produzieren und Exemplare in Westpaketen sind konsequent zu konfiszieren.” Diese Aussage wird in einem WDR Beitrag dem Zuschauer als (vermeintliches) Zitat verkauft – doch wieviel ist wirklich dran?
Die Sendung Quarks & Co vom WDR berichtete kürzlich zum Thema Spiel – dabei widmeten sie einen Bericht der Frage nach Verbotenen Spielen und brachten im Untertitel eine wichtige Erkenntnis auf den Punkt: Spiele offenbaren den Zeitgeist. Diese Aussage ist unterschwellig auch zur Kernthese unseres Blogs geworden, erzählen doch unsere kopierten Spiele aus der DDR nicht allein private Bastlergeschichten, sondern geben häufig einen Einblick in die Alltagssituation und das gesellschaftspolitische Umfeld. Dies gilt vor allem dann, wenn die westlichen Originalspiele modifiziert wurden.
Bei dieser Monopoly-Kopie handelt es sich nicht um eine derartige Modifikation, sondern die Bastlerin Gerda hat versucht das Spiel möglichst originalgetreu zu kopieren um es im privaten Umfeld zu spielen. Das letzteres möglicherweise nie geschehen ist, vermutet man bei einem Blick auf die zahllosen Geldscheine die buchstäblich unberührt aussehen. Und auch der Gummi der die Ereigniskarten zusammenhielt, ist inzwischen so porös geworden, dass die Mutmaßung naheliegt, ich sei der erste der das Spiel jemals ernsthaft betrachtete. Alles in allem scheint dieses Spiel ein völlig harmloser Gegenstand – oder wäre die Mutmaßung zulässig, dass Gerda es bloß aus Angst unbespielt ließ, da sie damit hätte auffliegen können?
Wohl kaum. Doch hier fällt die Bedeutung der etablierten Medien auf: Mehrfach ist uns inzwischen – gerade in der Berichterstattung über unser Projekt – aufgefallen, dass recht voreilig von Verbot, Unrecht und Heimlichkeit gesprochen wird. Sicher gibt der Anschein des dissidenten Vorgehens der Bürger wider dem “Unrechtsstaat” dem Thema eine gewisse Würze und wir müssen selbstkritisch eingestehen, dass auch uns derartige subversive Spielformen, die sich ernsthaft als Statement gegen den Staat verstanden, faszinieren. Doch die seriöse Berichterstattung verlangt es von Übertreibungen und Verallgemeinerungen abzusehen. Im Falle der nachgemachten Spiele ist es klar: Nur ein Bruchteil davon sind unter heimlichen Bedingungen entstanden und nur wenige standen im Gegensatz zur Staatsnorm. Was jedoch keineswegs bedeutet, dass das Phänomen der ostdeutschen Spielekopien keinen Aufschluss über die entsprechende Zeit gibt.
Versuchen wir dezidiert zu erörtern, wie die Rechtslage zu Spielen war, müssen wir differenzierte Aspekte ins Feld führen. Bis heute ist uns kein offizieller Text bekannt, der explizit von dem Verbot eines Gesellschaftsspiels in der DDR berichtet. (Falls unseren Lesern eine derartige Quelle vorliegt wären wir über diese Information sehr dankbar.) Gleichwohl wissen wir von einem Einfuhrverbot von Monopoly, wobei dies auch für Markengüter des Westens im Allgemeinen galt. Sollte ein Monopoly in einem Westpaket eingeführt werden, so wurde es (zumindest nach den geltenden Richtlinien) an den Absender zurückgeschickt. Bei offizieller Stelle hingegen war Monopoly tatsächlich nicht geduldet. So berichteten uns mehrere ehemalige NVA Soldaten, wie Andreas oder Mathias, dass ihnen das Monopoly eingezogen wurde und sie erst daraufhin eine eigene Variante anfertigten. Feindete ein Spiel – Kopie oder Original – offensiv den Staat an, geriet es freilich in den Fokus der Staatssicherheit. Diesen Fall erlebten wir bei Bürokratopoly, wobei derartige Ausprägungen eher die Ausnahme darstellten.
Das Nachmachen von Spielen allerdings war nicht verboten und der große Teil der Spielebastler sagten, es sei eher der Mangel an guten Spielen gewesen, der sie motivierte selbst zu Leim und Schere zu greifen – von staatsfeindlichen Attitüden darf dabei noch lange nicht automatisch ausgegangen werden. Gerade wenn man bedenkt, dass das Konstruktive und Eigeninitiative doch so manchen DDR Bürger auszeichnete und das ganze System darauf ausgelegt war, zu wissen, wie man sich selbst hilft. Das das Nachmachen nicht verboten, sondern sogar befördert wurde, zeigt sich im Vorwort des bekannten DDR Spielebuchs: “Was spielen wir?” von Rudolf Dietze:
“Ebensooft sucht man gerade solche Spiele vergeblich, die man selbst kennt und deshalb zu spielen geneigt ist. Und dabei ist es so leicht, auch ohne derartige Hilfsmittel oder durch Anfertigen bestimmter Materialien eine überraschend große, selbst für die lange Dauer eines Ferienaufenthaltes nicht zu erschöpfende Zahl einfacher, lustiger oder komplizierter Spiele aller Art zu veranstalten.”1
Wie das Monopoly Spiel von Gerda, waren die meisten Exemplare unserer Sammlung also etwas Privates auch nur für die häuslichen Zwecke bestimmt. Doch gerade weil die Gesetzesgrundlagen zu West-Spielen wie Monopoly so undurchsichtig waren, verließen die Spiele meist die eigenen vier Wände nicht. Das Phänomen nachgemachter Spiele, bleibt ein exklusives und zeigt sich zumindest in dieser geballten Ausprägung tatsächlich auf die Zeit und den Raum der DDR beschränkt. Aus diesem Grund versuchen wir weitere Fundstücke aufzudecken und die individuellen Geschichten und Hintergründe zu beleuchten.
Das unsere Leser, die ehemaligen Spielebastler und vor allem die Medien uns dabei unterstützen freut uns sehr und wir hoffen auf weitere fruchtbare Zusammenarbeit. Gleichwohl gilt es im Interesse einer fundierten Aufarbeitung der Alltagskulurgeschichte, sich auch fortan nicht von reproduzierten Klischees, sondern von tatsächlichen Quellen und wahrhaftigen Zeitzeugenberichten leiten zu lassen.
Autor: Martin
1DIETZE, Rudolf, „Was spielen wir?“, Verlag Tribüne, Berlin Treptow, 1971, S. 15.
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