Denkspielen
„Woher kamen die Vorlagen?“. Diese Frage wird uns immer wieder gestellt. Wir geben diese zur Beantwortung stets an die Bastler weiter und entdecken zum Teil professionalisierte Methoden, mit denen sie an Spielideen gelangten. Von Lothar Schubert und Wolfgang Großkopf erhielten wir nicht nur mündliche Auskunft, sondern bekamen von ihnen gleich ganze Bücher.
Die Spiele von Lothar Schubert und Wolfgang Großkopf sind kleine Meisterwerke. Beide legten großen Wert auf Ästhetik und solide Verarbeitung ihrer Materialien. Die Ergebnisse sprechen für sich, denn sie sind heute noch sowohl intakt, als auch optisch ansprechend. Beide gaben sich nicht mit dem einfachen Kopieren der Spiele zufrieden. Wie viele andere Bastler, gaben sie ihnen eine persönliche Note. Das geschah jedoch nicht nur in der Gestaltung, sondern auch durch die Veränderung der Spielmechanismen. Wolfgang Großkopfs Variante vom Spiel des Lebens, hat kaum noch etwas mit dem Original zu tun. Er erfand das „Lebensrad“, welches im Verlauf des Spiels gedreht werden kann, um damit die Positionen der eigenen Figur und die der Mitspieler zu verändern. Nachbauten wie diese zeugen nicht allein von großem handwerklichem Verständnis. Sie zeigen auch, dass die Bastler die Spielmechanismen kontrollieren und abwandeln konnten. Zum Teil nutzten sie dies, um die Spieleranzahl zu erweitern, wie Matthias Göpner, oder um den Spielspaß aufzuwerten.
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In der DDR gab es fast keine komplexen Spiele. Die Anspruchsvolleren waren bereits etabliert, wie Schach, Skat oder Doppelkopf. Brett- und Gesellschaftsspiele hingegen waren vor allem für Kinder gemacht. Wer also im Erwachsenenkreis einen spannenden Spieleabend verbringen wollte, der bastelte sich sein Spiel selbst. Das war meistens Monopoly, aber gerade Lothar Schubert und Wolfgang Großkopf haben eine breite Palette unbekannterer Spiele nachgemacht. Für diese hatten sie jedoch kein Original zur Verfügung, woher also kamen die Vorlagen? Antwort: Sie griffen zu Büchern. In Schuberts Beispiel, nutzte er die Sammlung der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig. Diese hatte zahlreiche Bücher, in denen die Regeln und der Aufbau diverser Spiele detailliert beschrieben wurde. Schubert verbrachte nun viele Stunden damit, die Regeln abzuschreiben. Er füllte mehrere DinA4 große Bücher und schuf sich so ein mehrbändiges Regellexikon. Daraus konnte er sich von nun an frei bedienen, wollte er ein Spiel nachmachen. Wolfgang Großkopf nannte seine Reihe selbst geschriebener Bücher „Kluges Buch“, welches mehrere DinA5 große Bände sind. Zum Teil schrieb er andere Bücher ab, wie „Denkspielen“, worin Sid Sackson einige Ideen vorstellte.
Es blieb nicht beim einfachen kopieren. Beide Männer waren und sind leidenschaftliche Spieler, die aus den Ideen anderer Spieleautoren neue, eigene entwickelten. Beide schufen Spiele, die sie zum Teil an Verlage verkauften, auch wenn diese die Konzepte technisch nicht umsetzen konnten. So war es in vielen Fällen, wie wir es bereits HIER schilderten. Auch noch heute ist die handschriftliche Sammlung der Regeln einzigartig, da sie Spiele verschiedener Verlage und Genres vereinen. Auch in der DDR selbst wurden Bücher, wie „Was spielen wir“, gedruckt, die Brettspiele erklären und dazu aufriefen erfinderisch zu werden und sich die Spiele selbst zu basteln. Am Ende stand jedoch immer der erhobene Zeigefinger, denn nur jene Spiele sollten gebastelt werden, die „dem humanistischen Gedankengut“ entsprachen.
Die Bücher von Wolfgang Großkopf und Lothar Schubert sind derzeit in Dresden zu sehen. Dort wird unsere Ausstellung mitsamt ihren Spielen noch bis zum 27.01.2013 zu besichtigen sein. Im Bereich „Handwerk“ zeigen wir noch weitere Fundstücke aus Schubert Bastelschrank, wie seine alten Bibliothekskarten, übriges Bastelmaterial von damals und halb fertig gewordene Spielfiguren.
Autor: Geis
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