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Damals wurde häufiger gespielt als heute?

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SCRABBLE

Rosmarie – eine Dame, die das stolze Alter von 90 Jahren überschritten hat – hat sich Zeit genommen und mit der Zusendung ihres Scrabble Spiels unsere Recherche unterstützt. Ihren freundlichen Brief möchten wir zum Anlass nehmen, eine These zu untersuchen, die uns immer wieder mit ungeprüfter Selbstverständlichkeit begegnet und die auch Rosmarie ihrem Brief voran stellt: Damals sei häufiger gespielt worden.

 

Rosmarie hatte keine Westbeziehungen. An Spiele aus dem Westen zu kommen, war für sie kaum möglich. Dieser Umstand und der Wunsch, ihrem Mann ein ganz besonderes, weil selbstgemachtes Geschenk zum 50. Geburtstag zu überreichen, bot ihr die Veranlassung ein Scrabble Spiel nachzubauen. Die Spielutensilien und Regeln kannte sie. Mit diesen Voraussetzungen bedurfte es nur noch Holzplättchen, Wachstuch und viel Heimlichkeit um das Spiel pünktlich zum 50sten fertig zu haben.

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Das Spiel wurde in der Familie häufig gespielt und – so der emotionale Schluss der Zuschrift – Rosmarie ist froh, dass dieses private Stück und Zeugnis persönlicher Geschichte, noch vor ihrem Tod in gute Hände kommt. Spielen war etwas besonderes für die Familie und Gesellschaftsspiele waren in den 60er und 70er Jahren in der DDR kein Konsumgut, dass einfach zugänglich war. Grundsätzlich sah der Vertrieb von Gesellschaftsspielen aus der DDR wie folgt aus, schreibt J. Peter Lemcke (Gründer des Deutschen SPIELEmuseums): “Etwa 50% gingen in die UdSSR, vom verbleibenden Teil ging mehr als ein Drittel an die bevorzugten Schichten aus Partei und Funktionärskadern, ein Drittel an die sozialistischen Bruderstaaten, Konsum und HO (Handelsorganisation) und ein Drittel für Messebestellungen zu besonderen Verwendung, davon mit viel Glück etwas in die privaten Spieleläden.”1

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Die Kinderzimmer heute und schon die Kinderzimmer in meiner Jugend (80er/90er) waren voll mit Spielsachen aller Art. In meinem privaten Fall war über Gesellschaftsspiele (auch aus der DDR), Kuscheltiere, Actionfiguren und Matchbox alles dabei – später kam sogar ein Nintendo dazu. Denke ich an meine Kindheit, denke ich an Spiele und Spielen – draußen, drinnen, mit Freunden, Familie und allein. Trotzdem begegnet mir in aller Regelmäßigkeit die These, dass früher häufiger gespielt wurde als heute. Kürzlich, als ich einen Vortrag im Fundbüro e.V. Leipzig zum Thema Spielekopien aus der DDR hielt, stellte diese Frage ebenfalls ein umstrittenes Diskussionsthema dar. Und auch Rosmarie stellt dem Brief, den sie uns zusandte diese Aussage voran: “Vor ca. 45 Jahren wurde in den Familien an den Abenden und Sonntagen weit häufiger ‘gespielt’ als heute.”, schreibt Sie. Doch stimmt das wirklich?

Die unbefriedigende Nachricht vorweg: ich kenne keine veritablen Statistiken zu dieser Frage, jedoch kann ich Aspekte ins Feld führen, die aus meiner Sicht gegen jene Vermutung sprechen:

Der Spielemarkt ist heute größer denn je. Noch nie kamen mehr Neuerscheinungen von Gesellschaftsspielen auf den Markt wie dieser Tage. Kann daher gleich auf aktives Spielverhalten geschlossen werden – wohl kaum. Trotzdem ist neben der Masse der vertriebenen Spiele auch die gesellschaftliche Anerkennung von Spiel und Spielprinzipien eine andere als vor 45 Jahren. Spielen ist salonfähig geworden und wird in mehreren Kontexten wahrgenommen – Spiel ist nichts mehr für Kinder oder Glücksspieler allein. Medien sind voll von diversen Spielformen, Schulen nutzen Spiele zu didaktischen und pädagogischen Zwecken und auch Wirtschaftsunternehmen ziehen Spielprinzipien zur Schulung ihrer Mitarbeiter heran. Obendrein kann natürlich auch die rasante Etablierung von Computer- und Konsolenspielen erwähnt werden, die ein reichhaltiges und kurzweiliges Spieleangebot liefert, wie es in der Form noch nie dagewesen ist. Doch gerade diese Entwicklung beschwört oftmals die kulturpessimistische Kritik auf, dass das digitale Spiel zur “Vereinsamung” des Spielers führte – es herrsche kein gleichberechtigter Wettstreit zwischen menschlichen Gegenspielern mehr vor, sondern der einsame Spieler arbeite sich an der Maschine ab. Dabei wird jedoch vergessen, dass gerade der Bereich von Multiplayer und Online-Spielen ermöglicht, dass jeder Spieler mit einer Unzahl von Kontrahenten (teilweise unabhängig von räumlicher Bindung) in Wettstreit treten kann. Zudem gab es auch zur Zeit analoger Spiele das Spiel des Einzelnen in rauen Mengen.

Kurzum: Ich halte es für voreilig zu behaupten, dass früher häufiger gespielt wurde als heute. Gerade für eine Person wie Rosmarie, für die Spielen etwas ganz Besonderes war und die ein großes Bewusstsein für den Wert des Spiels mit sich bringt, gibt es in der heutigen, reichen Spielewelt, deren Grenzen weit durchlässiger sind als damals, sicher noch einiges zu entdecken.

Trotzdem möchte ich betonen, dass ich zu diesem Thema gerne zur Diskussion bereit und dankbar bin, für jedes Argument (in welche Richtung auch immer), dass uns hilft, diese Fragestellung präziser zu beantworten. Hinterlasst uns unten doch gerne einen Kommentar.

Zum Abschluss seht ihr hier noch die Zuschrift von Rosmarie, sowie darunter die digitale Abschrift zur besseren Lesbarkeit:

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An das Spielemuseum (nach einem Telefongespräch vom 15.1.12)

Vor ca. 45 Jahren wurde in den Familien an den Abenden und Sonntagen weit häufiger „gespielt“ als heute. –
Damals erhielten meine Verwandten von Freunden aus Westdeutschland ein neues interessantes Spiel – „Scrabble“ – geschenkt und wir beschäftigten uns gemeinsam oft und gern damit.
Wir
hatten „keine Westbeziehungen“, - da kam ich auf die Idee meinem Mann als Geschenk zum 50. Geburtstag dieses „Scrabble“ selbst zu basteln.
Zunächst schrieb ich mir die Menge der „Täfelchen“, deren Buchstabenwerte und die Menge der Buchstabentäfelchen ab, - auch zeichnete ich das „Spielbrett“ ab.

- Danach sägte ich aus einer Sperrholzplatte mit der Laubsäge 120 kleine Täfelchen (1,8 x 2 cm groß) aus,
- rieb mit Sandpapier jeweils alle 4 Sägekanten etwas rund,
- und beschriftete die Täfelchen mit den Werten und Buchstaben.
- Nun schnitt ich in Spielplattengröße 2 Wachstuchstücke zurecht und nähte sie zum besseren Halt aufeinander.
- Danach zeichnete ich das „Spielfeld“ mit kräftiger Farbe und jeweils nach Vorbild gekennzeichneten Feldern (rot, hellrot, blau, hellblau) auf - -
fertig war das Geschenk zum „50. Geburtstag“.

PS: Ich nehme an, die Spielregeln sind bekannt [und für das Unterfangen auch nicht wichtig (können evtl. nachgereicht werden)]

[Erklärung des Spiels]

Erfreut, daß nach meinem Tod (bin schon 90 J. alt) „mein Werk“ nicht gleich in der Mülltonne landet,
mit freundlichen Grüßen
Rosmarie

 

Autor: Martin

 

1 LEMCKE, J. Peter, „Spiele in der SBZ und der DDR – oder Sind Spiele gefährlich?“, Waxmann, Arbeitskreis Bild Druck Papier Tagungsband, Band 10, Dresden 2005, S. 110.

6 Kommentare:

  1. Kleine Anekdote vorweg: Habe gerade bei einer Bekannten in der Nachbarschaft etwas abgeholt und die Familie beim Monopoly-Spielen unterbrochen. Scheint also immer noch eine angenehme Sonntags-Beschäftigung zu sein. Darüber hinaus finde ich auch, das man heutzutage viele Möglichkeiten (Brett-) Spiele off- und online zu spielen. Toll ist es natürlich, wenn sich alle Mitspieler in einem Raum ums Spielbrett versammeln können, aber übers Web kann man mittlerweile auch spielen, chatten, quatschen. Aber natürlich konkurriert das klassische Brettspiel immer mehr mit seinen digitalen Kollegen – aber so lange sich Menschen verabreden und treffen, um zu spielen, sehe ich das als positive Fortführung der Spieltradition.

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  2. Hey. Vielen Dank für deinen Beitrag.
    Wie bei vielen medialen Formen habe ich den Eindruck, dass es zwar die von dir angesprochene Konkurrenz gibt, aber eine Form die andere nicht ablöst - sowenig wie z.B. das eBook das Buch ablöst oder diese Blog-Konversation die "reale", mündliche Konversation ablöst. Darüber hinaus ist es ja durchaus legitim auch mal allein zu spielen und sich daran zu erfreuen - wer jedoch auf Gesellschaft wert legt, wird immer wieder zu kooperativen und "persönlichen" Spielformen zurückkehren, denke ich.

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    1. Hallo Martin, du sprichst da etwas sehr wichtiges an, wenn du ihn nicht schon kennst, sei dir zu dieser Komplementarität der Medienformen Siegrfried Schmidt empfohlen:

      Schmidt, Siegfried J.: Medien: Die Koppelung von Kommunikation und Kognition; in: Krämer, Sybille (Hrsg.): Medien. Computer. Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien; Frankfurt am Main, 1998, Seite 55-72.

      Älter und in gewisserweise Grundlegender auch Harold Innis:

      Innis, Harold A.: Die Eule der Minvera; in: Barck, Karlheinz (Hrsg.): Harold A. Innis – Kreuzwege der Kommunikation. Ausgewählte Texte; Wien, New York, 1997, Seite 69-94.

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  3. Obwohl viele Anbieter von modernen Tabs mittlerweile versuchen, die Elemente des klassischen Brettspiels mit aktueller Technik zu vereinen, indem sie Figuren liefern und das Spielbrett digital darstellen, ist der Trend zum herkömmlichen Brettspiel ungebrochen. Wahrscheinlich ist es die Einfachheit aller Komponenten, mit der man mit dem richtigen Konzept so viel Spaß haben kann, die das klassiche Gesellschaftsspiel nicht aussterben lässt.

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  4. Lieber Bernhard, vielen Dank für den Kommentar. Ich kann das aus meiner persönlichen Sicht nur bestätigen. Als wir auf der Spielwarenmesse in Nürnberg waren, haben wir Brettspiele mit und auf dem IPad gespielt und ich persönlich empfand das als ziemlich einfallslos. Man hatte das Gefühl als war die Industrie gezwungen sich IRGENDEINE Idee fürs IPad ausdecken zu wollen - einen Mehrwert in der Verbindung von analogen Elementen und digitalem Brett habe ich nicht erkannt. Ich bin gespannt, ob da noch was kommt.

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