TANGRAM
Fünf verschieden große Dreiecke, ein Quadrat und ein Parallelogramm – Sieben Teile, die man zu einer vorgegebenen Form zusammenfügen muss, das ist Tangram, ein Spiel für eine Person.
Tangram ist gewiss kein Spiel, welches es in der DDR nicht gab, oder welches sogar verboten gewesen wäre, dennoch bastelte es eine uns unbekannte Person nach. Aus Karton und Streichholzschachteln entstand ein Spiel, um das sich zahlreiche Legenden ranken, denn es wurde bereits hunderte Jahre vor Christus im fernen China erfunden. Eine dieser Legenden hätte jedoch in der DDR genauso gut in einem Lehrbuch für Staatsbürgerkunde stehen können. Es wird erzählt, dass ein Mönch seinen Schüler auf eine Reise durch die Welt schickte, um ihre vielfältige Schönheit auf eine Keramiktafel zu malen. Es geschah jedoch, dass ihm seine Tafel zerbrach – in sieben Teile, welche er nun wieder zusammenzusetzen versuchte. Es gelang ihm nicht, auch nach Tagen und Wochen konnte er die sieben Teile nicht zu einem Viereck zusammenfügen. Soweit so gut, aber wie bei solchen Legenden üblich, hat auch diese eine Moral: Der Schüler verstand, er muss nicht in die Welt hinaus reisen, denn er kann die Schönheit und Vielfalt der Welt ganz einfach in den sieben Teilen der zerbrochenen Tafel wiederfinden.
Da saß der Schüler nun über eine lange Zeit mit sich und der Tafel. Tangram ist eines der wenigen Spiele unserer Sammlung, die man nicht in der Gruppe spielt, sondern allein. Für den Brettspielefan eher unüblich und selten, ist das allein Spielen in der Computerspieleszene üblicher. Bei einem Abend mit dem Games Culture Circle, einer unregelmäßigen interaktiven Talkshow rund ums Thema Gaming, wurde die Frage in die Runde geworfen, warum man überhaupt spiele. Unter den illustren Gästen befand sich auch René Walter, der den Blog Nerdcore betreibt uns sich mit Spielen aus der Sicht eines „Gamers“ beschäftigt. Er beantwortete die Frage damit, dass es ihm Spaß mache allein zu spielen. Bei den „Computer-Zockern“ hat man sofort das Bild des ungewaschenen, vereinsamten Jugendlichen vor Augen. Ein längst überholtes Vorurteil, denn die technischen Möglichkeiten machen auch den Computer längst zu einem Medium, das Spiele sozial erlebbar macht. Doch sowohl am Rechner als auch in der haptischen Welt der Brettspiele, wird gern auch mal allein gezockt, oder geknobelt, oder versucht sich selbst im Schach zu besiegen. Hierin sind diese beiden sich nur selten überschneidenden Welten vereint. Das „Mit-sich-selber-beschäftigen“ wird schon bei Kleinstkindern unterstützt, die so ihre Konzentrationsfähigkeit und Fantasie erproben, ähnlich dem Schüler des Mönchen. Die gesamte Talkshow zum Thema “Gamer stinken” finden Sie hier:
Ob die letztliche Erkenntnis die ist, nicht mehr zu reisen, weil sieben Scherben eine ganze Welt in sich Tragen können, oder die Teile frustriert in der Ecke landen, weil man doch lieber mit Freunden spielen möchte, bleibt offen. Der unbekannte Bastler unseres Tangrams hat für dieses Problem eine Lösung gefunden: Er hat einfach verschiedenfarbige Sets von Spielsteinen hergestellt. Auch wenn wir es nicht mit Sicherheit sagen können, ob es die Intention des Herstellers war, bestand so die Möglichkeit im Wettstreit, oder im gemeinsamen Knobeleifer seine sieben Teile zusammenzulegen – zusammen und zugleich jeder für sich. Zu sehen ist das gute Stück noch bis zum 31. Juli im Deutschen SPIELEmuseum in Chemnitz.
Autor: Geis
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