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Spiel und Subversivität

Monopoly 08


MONOPOLY

Kann ein Spiel subversiv sein? Kann das Basteln von Spielen subversiv sein? Diese Fragen stellen wir uns im Rahmen unserer Arbeit häufiger. Diskutiert wurde darüber vor wenigen Tagen beim Symposium “Spiel und Politik” im Martin-Luther-King-Zentrum in Werdau.

 

Es liegt in einer blauen Mappe, pragmatisch aus einigen Materialien zusammengekritzelt und schon recht abgespielt: Ein Monopoly-Spiel. Mal wieder. Nachgemacht in der DDR. Wer unseren Blog aufmerksam verfolgt, stellt unweigerlich fest, dass die überwiegende Mehrzahl der nachgemachten Spiele aus der DDR Monopoly-Spiele bzw. Monopoly Abwandlungen sind. Gerade in Anbetracht dessen wundert es nicht, dass uns immer wieder die Frage gestellt wird, ob man dem DDR-Bürger damit eine Sehnsucht nach Kapitalismus andichten könnte? Ich denke nicht. Trotzdem wird eine Sache deutlich: Der DDR Bürger gestaltete um und setzte Gegenstände anders ein als eigentlich vorgesehen. Aus einer Kühlschrankabdeckplatte wird ein Monopolyfeld, aus den Bänken der NVA-Unterrichtsräume ein Malefiz-Brett und eine alte Büro-Mappe, wie hier bei Werners Monopoly, dient fortan zur Aufbewahrung des Spiels. Gegenstände ihrem normierten Nutzen zu entziehen und sie in anderer Form zu gebrauchen (oder zu “missbrauchen”) ist eine grundlegende Definition von Subversivität. Doch bezieht sich das Wort Subversivität in der Regel eher auf die politisch intendierte Handlungen oder Vorgänge, die eine bestehende soziale Ordnung angreifen oder unterwandern.

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Am Donnerstag, den 17.05.12 fand im Martin-Luther-King-Zentrum in Werdau ein Symposium zum Thema “Spiel und Politik” statt, bei welchem unter anderem die Frage diskutiert wurde: Wie subversiv kann Spiel sein? Der Leiter des Zentrums und einstiger DDR Bürgerrechtler Dr. Martin Böttger signalisierte, dass Spielformen sein ganzes Leben begleiteten und das er selbst seine Beobachtung durch die Stasi als Katz und Maus Spiel betrachtete. Als Held möchte er deshalb nicht gesehen werden, gab er zu verstehen als Lutz Rathenow, ebenfalls DDR Aktivist, Buchautor und heutiger Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, seine Leistungen hervorhob. Rathenow selbst arbeitete ab den späten 1970er Jahren zunehmend konspirativ gegen die DDR. Dabei versuchte er ebenfalls Verwirrung zu stiften indem er z.B. der Westpresse Meldungen und Falschmeldungen zukommen ließ. Zudem veröffentlichte er Texte in Westverlagen und verarbeitete mit vielfältigen Satiren und Glossen kritisch die Zustände in der DDR. Das er immer recht glimpflich davon kam, wundert ihn in Anbetracht seiner 15.000 Seiten starken Stasi-Akte selbst. Sowohl Rathenow als auch Böttger – dessen Spiel Bürokratopoly in seinen Stasi-Akten auftauchte – unterstützen, wie die meisten übrigen Gäste, unsere Überlegung, dass Spiel sehr wohl subversiv sein kann und als Medium das Potential hat, den Staat und seine Schwächen in Frage zu stellen.

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Das vorliegende Monopoly von Werner wollte nicht subversiv sein. Es ist schlicht die handgefertigte Kopie des Originals-Spiels. Und es wäre zu weit gegriffen, würde man dem Kopieren von Spielen in der DDR oder gar dem Spielen selbst in jedem Fall einen heimlichen oder gar staatsfeindlichen Impetus unterstellen – so wie es kürzlich ein Artikel auf Spiegel suggerierte. Nichtsdestotrotz, liegen dann ganz sicher subversive Impulse vor, wenn Spielprinzipien kritisch auf den Staat umgedeutet werden, so wie wir es schon in einigen unserer Monopoly Spiele erleben konnten. Die Stasi wird thematisiert, die schwache Wirtschaftslage oder das Machtstreben der Politiker – alles, was die Bürger in Kritik nehmen konnten, fand Verarbeitung in den Spielekopien. Kaum handelt es sich dabei aber um zersetzende oder staatsfeindliche Maßnahmen, doch gleichwohl ist die kritische Auseinandersetzung mit den Eigenheiten des Staates zu erkennen und durchaus bewusst gewählt. Offene Kritik war in der DDR nicht gestattet – Spiel bot daher einen vermeintlich harmlose Projektionsfläche der eigenen Verarbeitung. Das das Bewusstsein hierfür bestand, zeigt die Tatsache, dass sich die Spielebastler durchaus bewusst waren, mit wem sie ihr Spiel spielen konnten – war es harmlos, könnte jeder der Würfel rollen, handelte es sich jedoch um ein Monopoly mit vielleicht sogar kritischen Implikationen, dann verließ es die eigenen vier Wände nicht. Damit war ein Brettspiel selbst wohl nie die Initialzündung für revolutionäre Bewegungen, dennoch bot es, wenn auch nur im privaten eine Fläche zur kritischen und ironischen, ja höchst menschlichen Auseinandersetzung mit dem Staat. Spiel wie wir es erleben konnte und kann damit durchaus subversives Element sein.

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Ob sich Werner jemals darüber Gedanken machte, wissen wir nicht. Trotzdem war sein Monopoly Spiel in jedem Fall ganz arglos getarnt – in einer blauen Büromappe.

 

Autor: Martin

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