REITERSPIEL
Privates Glücksspiel war in der DDR verboten. Gleichzeitig war der Staat das größte Glücksspielunternehmen. Eine wichtige Rolle spielte dabei schon kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges das Pferderennen.
Wetten und Kommunismus – wie geht das zusammen? Versicherte das politische Ideal der Sowjetunion, dass im Osten Nachkriegsdeutschlands installiert werden sollte doch, dass jeder Bürger gleiche Chancen haben konnte. Doch das Wettspiel, indem allein Berechnung und eine große Portion Zufall entschieden, ermöglichte den Bürgern abzukürzen – kein Schuften für Geld, Trabant oder die Urlaubsreise, sondern allein das Glück entschied.
Unmittelbar nach der Beendigung letzter Kriegshandlungen wiedereröffneten die sowjetischen Besatzer Pferderennbahnen. Mit bis zu 50.000 Besuchern gehörten die Karlshorster Trabrennen zu einer der größten sportlichen Veranstaltungen im Nachkriegsberlin überhaupt. Damit avancierte die Pferderennbahn in nur zwei Jahren zum größten Steuerzahler der Stadt Berlin.1 Auch in Leipzig, Dresden und Hoppegarten ritten die Pferde um die Wette und um das Geld der Bürger. Teilweise konnten schon kleine Summen gesetzt werden. Und selbst Mitglieder der Führungskader besuchten die Rennbahn. Der Staat etablierte auf diesem Weg ein einfaches System: einerseits das Verlangen der Bürger nach Spiel und Unterhaltung zu befriedigen und andererseits – was wohl noch wichtiger war – jede Menge Geld abzuschöpfen, dass sonst wohl auf dem Schwarzmarkt kursiert hätte. Neben dem Pferderennen etablierte sich ebenso schnell und gar noch flächendeckender die Lotterie die gleichfalls einen großen Beitrag zur Finanzierung des Staates betrug und damit auch offiziell legitimiert werden konnte. Die Ambivalenz von sozialistischer Haltung des Staats und der wachsenden Institutionalisierung des Glücksspiels war spürbar – es passte nicht so richtig zusammen.
Das kleinste Spiel, dass bisher Einzug in unsere Spielesammlung gehalten hat, ist das Reiterspiel von Rotraud. Auch das passt nicht so richtig zusammen. Doch das mit gutem Grund: es handelt sich um ein Geduldsspiel in dem der Einzelspieler versuchen muss, die beiden Jockeys gleichzeitig auf jeweils ein Pferd zu setzen. Ein Ding der Unmöglichkeit denken Sie? Dann schauen Sie sich das Spiel in echt an. Sofern die Pferde inzwischen nicht ausgeritten sind, finden Sie das Spiel bis Ende Juli in unserer Ausstellung im Deutschen SPIELEmuseum Chemnitz. Einen kurzen Eindruck der Pferderennbahn Hoppegarten (in den 80ern) sehen Sie in folgendem Video:
Autor: Martin
1 Vgl. MERKEL, Marcus, “Glücksspiel in der DDR”, in: HÄUßLER, Ulrike & MERKEL, Marcus [Hrsg.], “Vergnügen in der DDR”, Panama Verlag, 2009, S. 127.
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