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Mit dem Trabi zum Tipi

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”Wir Roten müssen zusammenhalten.” So lautete der doppeldeutige Leitsatz der Hobby-Indianer in der DDR. Die “Rothäute” Amerikas entfaltete für die Bürger des Ostens eine ganz eigene Faszination – die Sehnsucht nach dem Exotischen und gleichzeitig den Wunsch nach dem Aufbau einer besseren Welt vereinte sich in ihnen. Es verwundert daher nicht, dass es neben den berühmten Indianerfilmen der DDR auch zahlreiche Indianer-Vereine gab…

 

„Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.”1

Bisonjagd 03So lautet der viel – und leider oft verkürzt – zitierte Ausspruch Friedrich Schillers. Der Dichterfürst stellt die These auf, dass (verkürzt gesagt) erst das Spiel den Menschen in seine innere Mitte führt und die Einheit schafft, zwischen seinen natürlichen Trieben und seinen gesellschaftlichen Bestreben. Schillers philosophisches Gedankenspiel bezieht sich dabei weniger auf konkrete Brettspiele, als auf ein humanistisches Ideal, dass er am ehesten in der Kultur und insbesondere im szenischen Spiels realisiert findet. Nicht umsonst ist er uns vor allem als Dramatiker bekannt.

Im Schein, so Schillers Theorie weiter, offenbart sich die Erweiterung der Menschen, über die gegebenen Grenzen des Wirklichen hinaus. Fast wie der bunte und praktische Beleg für Schillers oft zähe Theorie, wirken die Hobby-Indianer der DDR. Fasziniert von der exotischen Kultur und den Ritualen, die eher die Natur als den Staat ins Zentrum setzten, gründeten sich die Indianer-Vereine. Mit möglichst stilechter Kleidung und Zeremonien schlüpften ihre Mitglieder in Rollen, die nur wenig mit ihrem Alltag zu tun hatten. Und die DDR-Oberen, waren im Zweifel, wie mit solchen Impulsen umgegangen werden sollte: Karl May Bücher waren Aufgrund ihrer Popularität bei den Nazis verpönt, Internationalismus und Interaktion mit westlichen Kulturen war undenkbar – doch gleichzeitig war da die Solidarisierung mit den (durch den Imperialismus) Unterdrückten. Also schöpfte man aus der Not die Tugend, ließ die Vereine im Staatsfernsehen auftreten und erfand als Konterpart zum westlichen Film-Winnetou, den Vorzeige-Indianer des Ostens, verkörpert von Gojko Mitic.

In der folgenden Dokumentation “Das rote Reservat” wird dieser Subkultur der DDR ausgiebig erörtert. Auch Dr. Stefan Wolle, einer der Autoren in unserem Buch “Nachgemacht – Spielekopien aus der DDR” kommt darin zu Wort.

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Bemerkenswert ist, dass die ostdeutsche Indianer Kultur sehr viele Parallelen zu der von uns untersuchten Selbstmachkultur der Brettspiele aufweist. Denn auch die Hobby-Indianer begleiteten stets die Frage: Wie komme ich an Informationen zu meinem Thema? Wo bekomme ich die Materialen her die ich benötige? Und gibt es vielleicht noch Gleichgesinnte unter meinen Landsleuten?

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All diese Fragen stellte sich auch Lothar Schubert, der sich ein Stück seiner individuellen Freiheit auch mit dem Spiel eröffnete. Er wusste sich zu helfen: aus diversen westdeutschen Spielebüchern, die es in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig gab, schrieb er sich Spieleideen ab und baute diese zuhause in hochwertiger Form nach. Doch das Kopieren alleine reichte ihm nicht mehr. Er wurde Spieleerfinder. Inspiriert von zahlreichen Ideen kreierte er so unter anderem “Bisonjagd”.

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In einem klassisch agonalen Spiel (also dem Kräftemessen zwischen zwei Parteien) geht es darum mit den zwei Reitern deines Indianerstammes möglichst viele und möglichst große Bisons zu jagen. Durch strategisch kluges Setzen im Springerschritt (analog zum Schach) gilt es, sowohl die besseren Felder zu erhaschen, als auch dem Gegner möglichst nachteilige Zugoptionen zu überlassen. Wer am Ende die meisten Punkte erzielt hat, sowie die meisten Felder in seiner Farbe markieren konnte, wird zum Häuptling und/oder Gewinner des Spiels. Ob Lothar Schubert auch an Indianertreffen teilnahm, ist eher zu bezweifeln, doch mit seinem selbst gemachten Spiel, holte auch er sich die ferne Prärie nach Hause.

 

 

Autor: Martin

 

1 Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen. Stuttgart: Reclam 2008., S. 62f.

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